Marx mit seiner Familie im Londoner Exil, mit dabei: Friedrich Engels.
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Westend-Kino zeigte am 1. Mai den besonderen Film:
Der junge Karl Marx
(Deutschland, Frankreich, Belgien, 2017) Rezension
maxe. Weite Teile der deutschen Bevölkerung sind verelendet. Selbst das Sammeln von abgefallenen Ästen, totem Holz, wird als Eigentumsdelikt schwer bestraft. Der Film zeigt brutale Verfolgungsszenen im deutschen Wald. Der junge Redakteur der Rheinischen Zeitung, Marx, schreibt, die Menschen können ja in der Bestrafung keine Gerechtigkeit erkennen, da das tote Holz ja vom Eigentum, den Bäumen, abgefallen ist, also kein Eigentum mehr darstellt. Und folglich sich einer ungerechtfertigten Strafe gegenübersehen (gegen die sie sich erheben werden).
Die preußisch-königliche Polizei umstellt das Redaktionsgebäude; drinnen diskutiert der Verfasser des Artikels leidenschaftlich mit den Kollegen, die ihm vorwerfen, die Arbeit zu gefährden; doch Marx hat genug von Andeutungen und Beschwichtigungen der Zeitung, entriegelt schließlich die Tür und läßt sich verhaften.
Währenddessen muss der Industriellensohn Engels in Manchester mitansehen, wie sein Vater, der Fabrikant, die für einen Hungerlohn arbeitenden Spinnerinnen behandelt. Eine aufmüpfige irische Arbeiterin wird auf der Stelle gefeuert, doch da ist es schon um Friedrich geschehen. Er findet Mary Burns in einer irischen Spelunke, und auch ein kräftiger Fausthieb eines erbosten Arbeiters kann ihn nicht von der Verwundung des Herzens befreien. Schon gar nicht, nachdem er beim Aufwachen das besorgte Gesicht von Mary über sich sieht.
Marx und seine Frau Jenny sind im Exil in Paris. Der Verleger Ruge gewährt ihnen ein Obdach. Hier tritt eines Tages der junge Engels ein, doch Marx ist kaum erfreut ihn zu sehen; ihn, den Bourgois, der sich anmaßt von Kommunismus zu schreiben. Doch Engels teilt ihm seine Bewunderung der Kritik der Hegelschen Philosophie mit, des "Werks eines Genies", und auch Marx kommt nicht umhin, Engels seinen Respekt zur "Lage der arbeitenden Klasse in England" zu zollen. Der Gastgeber tritt in den leeren Raum, und eben noch Kontrahenten, findet man die beiden Philosophen auf der Straße in reger Diskussion.
In einem Wirtshaus spielen sie Schach, unterhalten sich und trinken, bis sie kaum noch nach Hause finden. Engels empfiehlt Marx das Studium der englischen Ökonomen wie Smith und Ricardo, denn dieser Baustein fehle ihm noch. Da sich Marx in Frankreich auch politisch betätigt, unter anderem mit Proudhon und Bakunin verkehrt, die für die Abschaffung des Eigentums eintreten, des angeblichen Grundübels der Ausbeutung, und auch mit Kritik am preußischen Staat nicht hinter dem Berg hält, wird er schließlich von heute auf morgen ausgewiesen; er kommt mit der Familie in Brüssel unter, muss sich jedoch jeglicher politischer Betätigung enthalten. Doch Jennys geliebtes Lenchen, die Haushälterin, ist wieder bei der Familie.
Über Friedrich Engels` Kontakte in England findet Marx und sein Mitstreiter Anschluß an den Bund der Gerechten, obwohl sie Weitling, einen begnadeten Redner, dem Marx Substanzlosigkeit vorwarf, in einem Arbeitstreffen schwer beschädigten. Auch Engels sieht sich Vorwürfen seines Vaters ausgesetzt, mit einfachen Arbeitern und sogar diesem Marx gemeinsame Sache zu machen. Doch er lässt sich nicht beirren. Türen knallen.
Jenny bekommt eine weitere Tochter (wie es dazu kam sah man eine Viertelstunde vorher) und nach schwerem Geburtskampf, den Lenchen und ein Arzt betreuten, darf Karl das neugeborene Geschöpf in den Arm nehmen und es Laura nennen. Jenny stimmt zu, nachdem auch Lenchen nichts dagegen hat. Marx und Engels erhalten von Proudhon sein neuestes Werk "Philosophie des Elends", aber keine Zusage für eine Tätigkeit als Korrespondenten für den Bund der Gerechten. Bei diesem steht ein Kongress an, zu dem Delegierte aus ganz Europa anreisen. Doch Marx und Engels haben keine Akkreditierung als Redner! Sie haben aber ein Faustpfand, nämlich Marx` Antwort auf Proudhon: "Das Elend der Philosophie".
Engels erreicht in einer eigenen Abstimmung das Rederecht, und in dem folgenden Auftritt vor den Delegierten beschwört er den gewaltsamen Kampf der unterdrückten Arbeiterklasse, worauf Bakunin unter Protest den Saal verläßt. Engels legt dar, nur der Unternehmer habe die wirkliche Freiheit; die Lohnarbeiter hätten nicht die Freiheit auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft zu verzichten. "Es ist ein Spiel mit gezinkten Karten!" Es gäbe keine Gleichheit der Menschen, und der Bourgois sei in Wirklichkeit ein Feind. In einer Kampfabstimmung erreicht Engels die Umbennung in "Bund der Kommunisten", und hinter ihm bringen, schon darauf vorbereitet, Jenny und Mary das neue Banner an: Proletarier aller Länder vereinigt euch! - während die Anhänger von Proudhon unter Protest entschwinden.
Zurück am Meer, in Oostende, sieht man Friedrich und Karl, die Kinder, und die beiden Frauen am Strand. Mary meint, sie wolle keine Kinder von ihrem Fred, er sei nicht der Mann dafür. Außerdem wolle sie keine Bourgois-Ehefrau werden, sondern arm bleiben und weiterkämpfen. Ihre Schwester würde schon, meint sie augenzwinkernd. Währenddessen diskutieren Engels und Marx den Auftrag des neuen Bundes, ein Programm zu entwerfen. Die Arbeit ist dringend, doch Marx ist müde. Er will nur noch ein Buch schreiben und nichts weiter. Doch Engels überredet ihn zur gemeinsamen nächtelangen Arbeit, eines Manifestes, das mit den Worten beginnen wird: "Es geht ein Gespenst um in Europa, das Gespenst des Kommunismus ..."
Ein gelungener Film, glaubwürdig und mit excellenter Ausstattung, sehr gute Schauspieler und auch der philosophische Hintergrund kam nicht zu kurz. Die DEFA hätte es nicht besser machen können!
Jürgen Gramzow - 2. Mai 2017
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