Neue Ausstellungen in der Galerie Fenster:
Galerie der Straße & Trip
Fotos von Mathias Bertram und Malerei von Christiane Bergelt
In der Galerie Fenster läuft alles nach Plan. Die beiden neuen Ausstellungen werden am kommenden Sonntag, dem 26. Oktober, um 14 Uhr eröffnet.
Wir zeigen die »Galerie der Straße« mit Fotografien von Mathias Bertram und unter dem Titel »Trip« Malerei von Christiane Bergelt. Beide Künstler werden zur Vernissage anwesend sein.
Für den besonderen musikalischen Rahmen sorgt der Saxophonist Gert Anklam.
Ein erstes Mal war Gert Anklam am 1. Dezember 1995 mit seinem »Konzert für Baritonsaxophon, Stimme und Lichtbilder« bei uns zu Gast. Axel F. Busse schrieb am 5. Dezember 1995 in der Märkischen Oderzeitung:
»Was für ein Volumen hat die menschliche Lunge? Vier, fünf oder gar sechs Liter? In solchen Dimensionen läßt sich freilich nicht ausdrücken, was am Freitag Gert Anklam durch die Kanäle seines Saxophons blies. Ihm raubte es nicht den Atem, dafür aber den Zuhörern im U-Raum des Begegnungszentrums um so mehr… Im Schein farbiger Dias voll expressiver Kraft baute der 25jährige seine Klanggebäude auf, ließ es mittels Wasser aus dem gähnenden Schlund des Instruments gurgeln, atmete mit und durch die Ventile und ließ mehrstimmige Sätze mit virtuosen Wechseln erklingen. … Minimalistisch in den Mitteln und gleichzeitig begeisternd in der Vielfalt der Klangfarben definierte Anklam das Wort Improvisation auf eine unnachahmliche Weise. Kein Wunder, das eher faszinierte Sprachlosigkeit als frenetischer Jubel die Reaktion auf das außergewöhnliche Kulturereignis war.«
Krass, damals arbeiteten in den Lokalredaktionen noch Leute, die sich unsere Konzerte in Gänze gaben und sich zudem in persönliche Beziehung zu dem gerade Erlebten setzten. Vor wieviel Jahren erschien eigentlich die letzte Rezension zu einer unserer jährlich immer über 100 Veranstaltungen? In meinem ersten Eberswalder Veranstaltungsjahrzehnt, also in den neunziger Jahren, haben sich, auch damals schon aus einer journalistischen Notlage heraus, aber zumindest immer wieder freie Musikinteressierte ermutigen lassen, ihre Eindrücke zu Papier zu bringen. Ich erinnere hier beispielsweise an den Eberswalder Gitarristen Matthias Grunert vom R & B Collegium, der nun schon wohl zwei Jahrzehnte nicht mehr unter uns ist, oder an die damaligen Studenten Fabian Wulf (2023 gestorben) und Steffen Bohl. Wie können wir uns glücklich schätzen, mit Thomas Melzer seit mittlerweile über 20 Jahren zumindest für unser Jazz in E. Festival über einen hochversierten Chronisten zu verfügen. Er hat auch das 2019 veröffentlichte Buch über die ersten 25 Jahre unserer Jazz-in-E.-Festivalgeschichte »Garage Wunderlich - Aus der Nische in die Mitte« geschrieben.
Nach diesem Schlenker aber zurück zu den neuen Ausstellungen in der Galerie Fenster.
Christiane Bergelt hat für »Trip« Papierarbeiten aus den Jahren 2016 und 2017 ausgewählt. Ein Bild deutet den Innenraum eines Autos an. In ihrer persönlichen Einladungsemail heißt es in Anlehnung dazu:
»Wir fahren von E nach R nach O. Unterwegs rasen und tasten wir uns nicht nur durch das Gebiet unter den Reifen. Schon verliert eine den Faden und schlingert. Du: Schau mal hier! - ein Erinnerungsstück rauscht vorbei. Ach nein, wir fahren doch! Ich krieg' das nicht auf - kannst du mal. Aber die Stadt ist endlos. Die Stadt? Sind wir überhaupt… Wir fahren und wir singen und wir halten an und singen weiter. In den Randgebieten, in denen ich lebe, sind Ausflüge mit dem Auto Raum gemeinsamen Brütens und Simmelierens…«
Von Mathias Bertram zeigen wir seine »Galerie der Straße«, eine erste Ausstellung nach dem gerade im KERBER Verlag erschienenen Band AT THE ROADSIDE mit seinen Fotografien. Mathias Bertram schreibt:
»Am Anfang war die Langeweile. Ein Herbstnachmittag in den Ferien, auf den Spielplätzen kaum ein Mensch, wie neuerdings üblich, waren die meisten Kinder verreist. Aber die Sonne schien und lud zu einem Spaziergang ein. Also nahmen meine Tochter, damals zehn Jahre alt, und ich unsere Kameras und brachen zu einer Expedition durch den nahe gelegenen Park auf. Wir hatten keine dreihundert Meter dorthin zu gehen, waren aber auch nach Stunden noch nicht am Ziel. Denn kaum hatten wir das Haus verlassen, entdeckte meine Tochter Risse im Asphalt, die - richtig, also mit einiger Phantasie betrachtet - einen bizarren weiblichen Körper formten. Sie begann sogleich, Aufnahmen von der nahezu kubistischen Figur zu machen - einer Figur, wie man sie sonst wohl nur in Zeichnungen kleiner Kinder oder großer Künstler findet. Gewohnt streng untersagte sie mir, ebenfalls eine Aufnahme von »ihrem« Motiv zu machen, und entfachte damit einen regelrechten Wettstreit darum, wer die nächste Attraktion finden würde…«
Bei uns kann man also wieder Entdeckungen machen. Seien Sie herzlich willkommen!
Und zu guter letzt noch der Hinweis auf zwei Neueingänge in unserem Galerie Buchlädchen. Jahrelang war »Diva in Grau - Häuser und Gesichter in Halle« mit den Fotografien von Helga Paris vergriffen und höchstens antiquarisch zu exorbitanten Preisen erhältlich. Der Mitteldeutsche Verlag hat im Vorjahr das Buch neu aufgelegt, aber schon gehen die Bestände wieder zur Neige. Wir haben die letzten drei beim Verlag vorliegenden Exemplare geordert. Kostenpunkt 36 Euro.
Und bei der Gelegenheit den ebenfalls beim Mitteldeutschen Verlag Band im Jahr 2020 erschienenen Band »Sinti in der DDR - Alltag einer Minderheit« bestellt. Im Buch sind die hervorragenden Fotos von Markus Hawlik-Abramowitz zu finden, die dieser Anfang der achtziger Jahre gemacht hat und die bis auf sehr wenige Aufnahmen zuvor noch nie gezeigt wurden. Die Veröffentlichung ist aber auch eine Würdigung von Reimar Gilsenbach, der sich fast 40 Jahre mit dem Thema befasst und vieles bewegt hat. Simone Trieder schreibt über ihn im Buch:
Sein Name ist untrennbar mit den Sintifamilien zwischen Ostsee und Thüringer Wald verbunden. Er wird zitiert, wenn es um Sinti in der DDR geht. Er war der Mann, der Behörden und Parteioberen beharrlich auf die Nerven ging.«
Der Schriftsteller Reimar Gilsenbach (1925 - 2001) lebte in Brodowin. Und ausgelöst von Reimar Gilsenbach an dieser Stelle noch einmal ein Blick in das eigene Archiv. Vom 22. März bis zum 2. April 1993 zeigten wir vom Begegnungszentrum Wege zur Gewaltfreiheit e.V. im KOMM-Zentrum in Eberswalde die Ausstellung »Desertion im II. Weltkrieg«. Der dokumentarische Teil der Ausstellung befaßte sich mit der Geschichte der Deserteure im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit. Dazu gab es Texte zum Thema »Sag Nein«, welche den Versen des Gedichtes von Wolfgang Borchert folgten. Die Ausstellungseröffnung fand im Beisein der Deserteure Kurt Kretschmann (Bad Freienwalde), Reimar Gilsenbach (Eberswalde/Brodowin), Heinz Wurl (Falkenberg/M.) und Ludwig Baumann (Bremen) statt.
Wir kommentierten: Bei aller Unterschiedlichkeit in ihren Motiven, ihrer Herkunft und Weltanschauung, eines eint die Deserteure: eine gewisse Unangepaßtheit und ein Wach-Bleiben! Zehntausende mußten ihr »Ja zum Leben« mit dem Tode bezahlen.
In unserer Ausstellungsankündigung hieß es damals: Wir zeigen während der Ausstellung auf Wunsch Filme zum Thema, haben einen Büchertisch zusammengestellt und beraten zu allen Fragen der Kriegsdienstverweigerung.
Ein besonderes Kapitel im Buch »Sinti in der DDR« widmet sich Janko. Dahinter verbirgt sich Janko Lauenberger, den Besucher unserer Veranstaltungen von Konzerten mit der Band Sinti Swing kennen. Zuletzt gastierte er im September im Duo mit Hannes Krause bei der »Hellen Stunde mit Kultur«.
Udo Muszynski – 22. Oktober 2025
Siehe auch:
»Geheime Orte & Fotografien«
Udo Muszynski Konzerte + Veranstaltungen · Prignitzer Straße 48 · 16227 Eberswalde
eMail:
· www.mescal.de
Galerie Fenster auf der WERFT in der Prignitzer Straße 50:
36. Ausstellung (26. Oktober 2025 - 25. Januar 2026):
Mathias Bertram: Galerie der Straße. Fotografien.
37. Ausstellung (26. Oktober 2025 - 25. Januar 2026):
Christiane Bergelt: Trip. Malerei.
Öffnungszeiten: donnerstags 16 - 19 Uhr + sonntags 14 - 17 Uhr, zu den Veranstaltungen und darüber hinaus zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten nach Vereinbarung. Am 6. und 7. Dezember hat die Galerie anläßlich eines adventlichen Galerie Festes jeweils von 10 - 18 Uhr geöffnet.
Die Galerie Fenster wird von Udo Muszynski Konzerte + Veranstaltungen mit freundlicher Unterstützung durch die Wohnungsgenossenschaft Eberswalde 1893 eG betrieben. Weiterer Sponsor: Sparkasse Barnim.
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