Am Schwärzesee im Frühling
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Vorm Paradies, links abbiegen ...
So einen schweren Mittagsschlaf hat man gehabt, mit den Linsen im Bauch, mit so einem schweren Kopf aufgewacht; da dachte man sich: das war jetzt kurz vorm Schlaganfall. Wie beim Ilja Iljitsch auf der Wyborger Seite der Newa, der lag auch immer liebend gerne nach dem Mahl im Bett und träumte; eigentlich lag er den ganzen Tag im Bett, von Toilettengängen wurde im Roman diskret nichts erzählt. Na jedenfalls, der Doktor warnte ihn schon, und so kam es. Erst ein Schlaganfall, dann der zweite und dritte, und im nächsten Kapitel stand man vor Oblomows Grab.
So dachte sich der Mittfünfziger also, etwas Bewegung würde sicher nicht schaden, schwang sich auf den Drahtesel und wollte eine Runde durchs Viertel machen. An der südlichen Potsdamer Allee kam er in den Park ab, landete schließlich auf einem Waldweg, der immer tiefer in die Wildnis führte. Schließlich, hast du nicht gesehen, bog er links ab auf den Pfad zum Paradies - zum Schwärzesee! Silbern schimmerte das Wasser durch die Buchen. An der ersten Badestelle lag eine Gruppe junger Leute, und zwei spielten Gitarre. Sehr romantisch!
An der zweiten Badestelle vergnügten sich zwei Bengels im Wasser, der eine mit einem Holzbrett, der andere mit einer Angelsehne. Ob er die Angleraufsicht wäre. Nein, nein. Ob er ihnen helfen könnte ihre Schnorchel zu finden. Im Wasser? Man hat doch nichts dabei! Der eine Bengel fuhr plötzlich mit dem Fahrrad tief ins Wasser. "Du, das lass mal sein! Da geht das ganze Öl ins Wasser!" Der Seebesucher wurde etwas kritisch. "An meinem Fahrrad ist kein Öl!" Jedenfalls hörte der Bursche, und die Angleraufsicht konnte ihre Hände im wunderbar weichen Schwärzeseewasser baden. Sagte zu den Knaben: Früher sind hier die Russen mit den Panzern in den See gefahren. Warum denn das? Sie haben sie gewaschen! Mit Panzern! Das machte mächtig Eindruck auf die Dreikäsehoche.
Die Angelaufsicht ging zur dritten Badestelle, wo ein Pärchen war, und eine Gruppe von Leuten im Sand, offenbar Professor und Studenten. Irgendwelche Viecher flogen schon umher, immer wenn es warm ist am See. So schön hier! Aber im Paradies kann man nicht ewig bleiben, und die Angleraufsicht musste wieder ins Büro. Abgesägte Stämme lagen links und rechts des Weges. Plötzlich kamen ihm zu Fuß drei Zweikäsehoche entgegen. Hallo, wie gehts? Hallo, gut, und dir? Die syrischen Bengels haben keine Angst allein im Wald, und, noch gar nicht in der Schule, verstehen sie jedes Wort. Sie wollten wahrscheinlich auch zu dem "Geheimsee" des Angelburschen. Eine Maus huschte durchs Gras, und auf dem schwarzen Weg nach Finow saß ein großer Has` der machte sich unsichtbar als er vorbeifuhr.
Einen Wolf, wie befürchtet, hatte der Ausflügler nicht getroffen. So bescherte ihm seine Angst vor einem Schlaganfall die Fahrt ins Paradies! Zwei Jahre seit dem letzten Mal war es her ...
Jürgen Gramzow - 16. Juni 2017
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