The Beggar's Opera - Gemälde von William Hogarth (1728) - war die literarische Vorlage für Brechts Dreigroschenoper.
Programmzettel der Uraufführung der "Dreigroschenoper" am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm, Berlin (Abbildungen aus Wikipedia - gemeinfrei)
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"Mackie Messer - der Dreigroschenfilm" im Kino:
Eine Hommage an Bertolt Brecht
maxe. Alles fängt damit an, daß die Uraufführung der "Dreigroschenoper" kurz vor dem Scheitern steht. Schauspieler schmeißen hin, Requisiten brechen zusammen und der Theaterleiter verlangt Änderungen bei zu freizügigen Passagen. Mitten im ersten Akt versagt die Drehorgel ihren Dienst, doch ein grandioser Schauspieler rettet mit dem "Haifischsong" die Szene. Am Ende feiern die Zuschauer das Stück, nicht zuletzt wegen der eingängigen Musik von Kurt Weill. Die "Dreigroschenoper" wird ein überwältigender Erfolg.
Nun melden sich andere Begehrlichkeiten. Die Filmindustrie erwirbt die Rechte am Stück, doch Brecht will nach seinen eigenen Vorstellungen den Film inszenieren, nicht nach den Regeln des Filmmarktes. Damit beginnt ein überwältigendes Panorama an Bildern:
Macheath, dem Anschein nach ein Edelmann, betritt die Straße und sein Auge wird sofort von einer spazierenden Dame in den Bann gezogen, besonders von ihrer unteren Partie. Er folgt ihr und die beiden schließen eine Bekanntschaft, die mit der Romanze unterm Soho-Mond von London beginnt.
Das Dumme ist nur: die Dame ist die Tochter vom Bettlerkönig der Stadt und Macheath das Oberhaupt einer Kriminellenbande. Der "Captain", wie der Gangsterboss genannt wird, organisiert ein rauschendes Fest, mit den VIPs der Gesellschaft, während Polly ein Brautkleid tragen darf. Sie wähnt sich schon im Hafen der Ehe, bestens ausgestattet, doch ihr Vater droht dem Polizeipräsidenten, die Geburtstagsfeier der Königin zu stören indem er seine Bettler aufmarschieren lässt, wenn Maceath nicht an den Galgen kommt.
Inzwischen vergnügt sich der "Edelmann" in einschlägigen Etablissiments, von denen er freimütig zugibt, hier erst großgeworden zu sein, in den Armen der Seeräuber-Jenny, im Original gespielt von Lotte Lenya, der Frau von Kurt Weill.
Die Handlung des Dreigroschenfilms wird immer wieder unterbrochen durch Einsprüche des Filmproduzenten, dem die Handlung zu sehr verfremdet ist, dann zu sittenverderbt und schließlich zu gesellschaftskritisch. Erst kann sich Brecht noch durchsetzen, aber dann folgt der Eklat: Der Autor verklagt die Filmgesellschaft wegen Mißachtung seiner Regieanweisungen und es kommt zum Prozess. Daß Brecht seine Niederlage bereits einkalkuliert, gehört zur Inszenierung der Wirklichkeit.
Vor den Augen des verhandelnden Richters geht der Film weiter: Durch Verrat seiner leichten Damen kommt Macheath ins Gefängnis, sehr zum Bedauern seines Freundes, des Polizeipräsidenten, den er keines Blickes würdigt. Währenddessen hat Peachum, der mit professioneller Bettlerei ein großes Unternehmen geschaffen hat, aus Mitleid ein echten Krüppel angestellt. Dieser wirkliche Elende wird zum Problem für beide, für den Geschäftemacher wie für die Obrigkeit. Was ist, wenn die Elenden unter den Brücken aufstehen und in die Bank- und Regierungspaläste strömen? Dann werden sie ein paar Polizisten nicht aufhalten können.
Macheath wird durch die Königin begnadigt und mit "Schwiegervaters" Geld kauft Polly ein Geldinstitut, sodaß der "ehrenwerte Kriminelle" nun Chef eines Bankhauses ist. Die Szene wechselt in die Moderne: in London schießen die Bankentürme in den Himmel und aus Mackies plumpen Ganoven werden Aktenkofferträger mit Zwirn und Schlips. So wie Brecht kurz zuvor in einer Probe der "Heiligen Johanna der Schlachthöfe" die gesellschaftliche Waage erläutert hat, wird Macheath - in der Oberschicht angekommen - nun erklären: "Es gibt die guten Reichen. Also muss es auch die guten Armen geben!" Nur sagt Brecht: Die guten Armen werden immer unten sein ...
Jürgen Gramzow - 29. Oktober 2018
Nächste Aufführung: Westend-Kino, 30.10. - 20 Uhr
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