Die Zeiten ändern sich:
Weltuntergang im Sonderangebot
"Sie sind überall. Sie kommen aus allen Löchern. Sie fressen alles!"
Diese Schlagzeile unserer allseits beliebten Großbuchstaben-Presse nimmt Bezug auf die wochenlange Sommerhitze dieses Jahres. Auf den ersten Blick dachte man vielleicht, die vielen Zweibeiner seien gemeint, die nach dem Ostseeurlaub wieder zahlreich die Straßen, Busse und Supermärkte bevölkerten. Aber nein, es sollte nur vor possierlichen Nagetieren Angst gemacht werden, die am liebsten Nutella vom Finger schlecken. Habe ich mir sagen lassen.
Doch an der ungewöhnlichen Hitze haben haben nun nachtaktive Kleinsäugetiere weniger Schuld als der tag- und nachtaktive vollmotorisierte, luftverpestende, Müllberge verursachende Trockennasenprimat, genannt Mensch. Wozu ist die angebliche Intelligenz des Menschen eigentlich gut? Daß er Mega-Metropolen aus Beton baut? Daß seine Wohnung ein begehbarer Kühlschrank mit Internetanschluß ist? Oder daß er für seinen 5-km-Arbeitsweg einen spritfressenden Asphalt-Panzer braucht, der kleinen Kindern Angst macht? 5 Kilometer! Das sind unsere Großväter und Großmütter jeden Tag zur Schicht gelaufen, oder geradelt.
Heutzutage wird in der vollklimatisierten S-Klasse gefahren, natürlich geleast, man möchte schließlich immer das neueste Modell in der Garage haben. Und weil man im Speckgürtel wohnt, im netten Häuschen, 200.000 Euro Schulden, ist der Arbeitsweg nun mal etwas länger. Im Stau auf der A10 erledigt der Geschäftsführer nebenbei seine Kundengespräche und räumt den Spam-Ordner auf. Die Rettungsgasse wird selbstverständlich freigehalten. Selbst für dringende Bedürfnisse liegen ein Ein-Handgriff-Behälter bereit, doch die Damen der Schöpfung greifen lieber auf Windeln zurück. Man muss auf alles vorbereitet sein!
Auf die Klimaveränderung ist der Mensch in keinster Weise vorbereitet: Die Bemühungen um CO2-Reduzierung laufen ins Leere angesichts des wachsenden Verkehrs, der wachsenden Städte, des wachsenden Konsums und des wachsenden Bedürfnisses nach Wohlstand in allen Teilen der Welt. Die Europäer und Amerikaner haben es vorgemacht und priesen ihr System und ihre Wirtschaftsweise als die beste aller Welten. Da darf man die Thailänder und Koreaner nicht anklagen, wenn sie genauso leben wollen. Oder die Nigerianer.
Mega-Städte nach amerikanischem Vorbild wachsen in allen Teilen der Welt wie Metastasen eines Krebsgeschwürs, das sich Zivilisation nennt. Verzeihen Sie die drastischen Worte! So eine Stadt wie Bangkok oder Shanghai macht natürlich mächtig Eindruck auf die Provinzbevölkerung, die es wie ein riesiger Magnet anzieht und das einfache Landleben unattraktiv erscheinen läßt. Die Landgüter kaufen internationale Agrarkonzerne auf, die mit Palmöl und Soja Geschäfte auf dem globalen Nahrungsmittelmarkt verbuchen können. Und die Anteilseigner verbuchen satte Renditen.
Das Kapital sucht immer neue Möglichkeiten nach Renditen-Maximierung. Dabei ist es ihm egal, ob eine ganze Branche verfällt oder ein ganzer Staat abgewickelt wird. Für die Braunkohle kommt der Solarstrom und für Papp-Autos kommen Elektro-Smarts. Entscheidend ist, was die Kunden zu zahlen bereit sind. Auf einen Hype muss man unbedingt aufspringen, denn da gibt es das Meiste zu verdienen. Der Hype der heutigen Zeit sind überdimensionierte Stadtautos, die durchaus fürs Militär taugen, alles von und für Smartphones, und seit Jahrzehnten: das eigene Häuschen am Stadtrand. Man kommt um diese Frage einfach nicht herum!
Jeder Bewohner dieses Planeten hat einen ökologischen Fußabdruck, der diese Welt belastet. Ein Bewohner eines Industriestaates wie Deutschland verschuldet automatisch ein Mehrfaches der Belastung wie Bewohner von Äthiopien. Doch auch in einem entwickelten Land gibt es Unterschiede: eine Oma, die von Grundsicherung in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung lebt, hat einen anderen Fußabdruck als ein jetsettender Star-Künstler, der jede Woche in einer anderen Hauptstadt gastiert. Diese Unterschiede zu nivellieren wäre illusorisch. Doch die Welt passiert im Kleinen!
Muss ich mir wirklich ein neues Auto kaufen? Oder ist es nicht besser, ein Jahres-Abo der Verkehrsbetriebe zu erwerben? Muss es dieser Joghurt im Sonderangebot sein, der den dreifachen Müll einer Großverpackung produziert?* Reicht es nicht aus, sich in der Wohnung gemütlich zu machen, als das finanzielle Risiko und den ökologischen Wahnsinn eines Hausbaus zu verantworten? Muss ich ständig online sein, damit ich keine Nachricht verpasse und dafür müssen dann weltweit Rechenzentren aktiv sein, die insgesamt einen Stromverbrauch verursachen wie eines der weltgrößten Länder?
Für Optimismus in Klimafragen bleibt immer weniger Platz. Seit bekannt ist, daß das höchst komplizierte und fragile Wettersystem der Erde umkippen kann, müssten die politisch Verantwortlichen eigentlich mehr tun, um die Welt zu retten. Aber nun gibt es einen Handelskrieg, zahlreiche militärische Konflikte und Billiarden an marodierendem Kapital, das nach neuen attraktiven Anlagemöglichkeiten sucht. Die Frage ist immer: Was sind die Kunden bereit zu zahlen? Sollten wir für die Rettung der Welt nicht ein paar Euro übrighaben? Ist uns das eigene Portemonnaie wirklich lieber als ein intaktes Ökosystem?
Fakt ist eins: In der neuen Heißzeit wird es kein Begrüßungsgeld geben!
Jürgen Gramzow - 23. August 2018
* - Man muß allerdings genauer hinschauen: Vergleicht man beim REWE-Bio Joghurt mild 1,8% Fett (im Pappmantel) den 500 g Becher mit drei 150 g Bechern, wiegen die drei kleinen zusammen nur 10 Gramm, während der große 11 Gramm Plastemüll verursacht. Also Großpackung = weniger Müll, das stimmt nicht immer. Bei dem abgebildeten Sahnejoghurt kommen drei leere Becher zusammen auf 18 Gramm, also fast das Doppelte an Ressourcenverbrauch als bei den erstgenannten.
Ein besonderer Tipp der Redaktion: www.fussabdruck.de
www.ressourcen-rechner.de
Testen Sie Ihre ökologische Belastung dieser Welt und erhalten Sie Vorschläge für eine nachhaltigere Lebensweise ...
Fußabdruck und Rucksack des Autors:
Wie man sieht, kommen die beiden Angebote zu unterschiedlichen Ergebnissen. Beim zweiten Angebot wird wohltuend darauf verzichtet, zu sehr in Ernährungsfragen bevormunden zu wollen.
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