Antworten zu Fragen zum Wohnungsabriß
maxe. Zur Sitzung des Eberswalder Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen (AWF) am 10. September 2015
hatte Gerd Markmann, der als sachkundiger Einwohner Ausschußmitglied mit beratender Stimme ist, Fragen zum
geplanten Wohnungsabriß der städtischen Wohnungsbau- und Hausverwaltungsgesellschaft mbH (WHG) in der
Potsdamer Allee 45 bis 53 im Ortsteil Brandenburgisches Viertel gestellt (BBP 9/2015).
Nach anderthalb Monaten hat der WHG-Geschäftsführer Hans-Jürgen Adam geantwortet. Inzwischen wurde der Abriß zurückgestellt.
Angesichts der erhöhten Zahl an Flüchtlingen, die untergebracht werden müssen, hat die Landesregierung beschlossen,
den Abriß nicht mehr zu fördern. Aufgrund der geänderten Bedingungen kamen WHG, Stadtverwaltung und die für
die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortliche Kreisverwaltung überein, die beiden Wohnblöcke in der
Potsdamer Allee vorerst nicht abzureißen. Stattdessen will der Landkreis hier Wohnungen zur Unterbringung
der Flüchtlinge anmieten.
Ungeachtet der veränderten Lage dokumentieren wir nachfolgend die Antwort von Hans-Jürgen Adam auf die
Fragen zum Abriß. Obwohl die Antwort auf den 21. Oktober datiert ist, gibt der WHG-Geschäftsführer hier den Stand der Dinge zum
Zeitpunkt der Fragestellung am
10. September vor dem Verzicht auf den Abriß wieder:
Vorbemerkung
Im Rahmen der Quartiersentwicklung in Eberswalde und unter Berücksichtigung der städtebaulichen und
demographischen Entwicklungen wurde im Geschäftsjahr 2014 beschlossen, im Brandenburgischen Viertel
zwei Immobilien in industrieller Bauweise mit insgesamt 86 Wohnungen zurückzubauen. Für die Jahre
2015-2017 sind der Freizug der Wohnungen und die Stillegung der Objekte vorgesehen.
Der Antrag auf Aufnahme in das Programm Stadtumbau Ost Programmjahr 2015 (Laufzeit 2015-2019)
wurde bei der Stadt Eberswalde gestellt. Der Rückbau dieser beiden Objekte ist im langfristigen
Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2018 eingeplant.
Aufgrund dieser Entscheidung wurde im Geschäftsjahr 2014 eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe
von TEUR 541,5 bei diesen Objekten mit verkürzter Restnutzungsdauer aufgrund von geplantem Rückbau
vorgenommen. Wie alle kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften trägt die WHG die
Last der Altschulden. Dies verschafft privaten Anbietern auf den Wohnungsmärkten einen Wettbewerbsvorteil.
Bei weiterem Rückbau ist deshalb die weitere Teilentlastung von Altschulden dringend notwendig, zumal
sich erfahrungsgemäß private Anbieter nicht an erforderlichen Rückbaumaßnahmen beteiligen, jedoch von
einer Anpassung des Wohnungsangebots an die Erfordernisse des Marktes profitieren.
Es besteht ansonsten sowohl eine erhebliche negative Wettbewerbssituation für die WHG am Markt als
auch eine negative wirtschaftliche Beeinträchtigung des Unternehmens.
Per 24.09.2015 stellt sich die Belegung der Wohnungen in diesen bei den Objekten wie folgt dar:
|
Objekt |
WE |
bewohnt |
Leerstand |
in Prozent |
|
0229 Potsdamer Allee 53-59 |
43 |
16 |
24 |
59% |
0230 Potsdamer Allee 45-51 |
43 |
12 |
31 |
72% |
|
Frage 1
Wie hoch sind – bezogen auf eine durchschnittliche Wohneinheit von ca. 60 m˛ (3-Raum-Wohnung) –
die Leerstandskosten der beiden für den Abriß vorgesehenen Wohnblöcke
a) aus den fixen Betriebskosten
b) aus den Finanzierungskosten (getrennt nach Zins und Tilgung)?
Da aufgrund der unterschiedlichen baulichen Zustände von erheblichen Unterschieden zwischen
den beiden Wohnblöcken auszugehen ist, bitte ich um eine separate Aufstellung der genannten
Kosten für jeden der beiden betroffenen Wohnblöcke.
Antwort:
Anhand der vorliegenden Zahlen aus der Betriebskostenabrechnung 2014 läßt sich ermitteln,
daß für ganzjährig leerstehende Wohnungen mit einer Fläche von ca. 60 m˛ Betriebs- und Heizkosten
in Höhe von durchschnittlich 1,50 €/m˛ monatlich (Objekt 0229) bzw. durchschnittlich 1,70 €/m˛
monatlich (Objekt 0230) zu verbuchen sind.
Im Geschäftsjahr 2014 sind der WHG Betriebskosten - einschließlich der nicht umlagefähigen
Betriebskosten - für leerstehende Einheiten in den bei den Objekten in folgender Höhe entstanden:
|
Objekt |
Geschäftsjahr 2014 |
|
0229 Potsdamer Allee 53-59 |
19.171,23 € |
0230 Potsdamer Allee 45-51 |
30.407,34 € |
|
Die WHG refinanziert sich am Kapitalmarkt als Unternehmen, d.h. daß eine objektscharfe Zuordnung von
Verbindlichkeiten zu einzelnen Objekten weder möglich noch erforderlich ist. Eine reine Unternehmensfinanzierung
ist in der Immobilienbranche allgemein üblich. Eine Herunterrechnung von Verbindlichkeiten bzw. der Annuität
auf eine einzelne Wohneinheit ist somit rein hypothetisch.
Im Geschäftsjahr 2014 hat die WHG insgesamt für bestehende Darlehen Zahlungen für Zinsen in Höhe von
TEUR 3.484,1 und für Tilgung in Höhe von 5.449,4 geleistet. Für eine (hypothetische) 60 m˛-Wohnung stellen
sich diese Zahlungen rechnerisch wie folgt dar:
|
|
60 mË›-WE p.a. |
pro mË› p.m. |
|
Zinsen |
581,92 € |
0,81 € |
Tilgung |
910,16 € |
1,26 € |
|
Frage 2
Wie hoch sind die Kosten, die durch die sogenannten »Altschulden« verursacht werden?
(Bitte auch hier separate Angaben für die beiden betroffenen Wohnblöcke).
Antwort:
Per 31.12.2014 weist die WHG Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von
TEUR 104.544,9 aus, davon für die sogenannten Altschulden TEUR 15.852,9. Die im Geschäftsjahr
2014 geleisteten Zahlungen für Zinsen und Tilgung stellen sich wie folgt dar:
|
|
60 mË›-WE p.a. |
pro mË› p.m. |
|
Zinsen 610.000 € |
101,88 € |
0,14 € |
Tilgung 738.500 € |
123,34 € |
0,17 € |
|
Frage 3
Wie hoch wären die Kosten aus den finanziellen Belastungen durch die verbleibende Restschuld
und die Bewirtschaftungskosten nach einem erfolgten Abriß der beiden Wohnblöcke?
(Bitte auch hier zum Zwecke der Vergleichbarkeit auf die nunmehr völlig fiktive
3-Raum-Wohneinheit bezogen und für beide Wohnblöcke getrennt).
Antwort:
Für zwei Darlehen bei der Nord LB
|
Darlehensnummer |
Nominalbetrag |
Restschuld per 31.08.15 |
vorr. Restschuld per 31.12.18 |
|
20100002 |
5.963.810,97 € |
4.224.146,62 € |
2.931.553,71 € |
20100003 |
4.302.049,03 € |
2.981.495,59 € |
2.025.822,15 € |
(Zinsbindung bis 31.03.2016) |
|
dienen – neben 49 anderen Objekten – auch die Objekte Potsdamer Allee 45-59 als Sicherheiten.
Wegen des Prinzips der Unternehmensfinanzierung (s.o.) ist eine Herunterrechnung auf einzelne
Objekte – ebenso wie auf eine einzelne Wohneinheit – hypothetisch.
Zum 31.12.2018 stellt sich die voraussichtliche anteilige Restschuld (anteilig auf die
Objektwohnfläche gerechnet) wie folgt dar:
|
Darlehensnummer |
Objekt |
vorr. anteilige Restschuld per 31.12.18 |
|
20100002 |
0229 |
90.201,54 € |
20100002 |
0230 |
93.222,65 € |
20100003 |
0229 |
62.205,60 € |
20100003 |
0230 |
64.289,04 € |
|
Natürlich fallen nach dem Abriß von Wohnblöcken noch weitere Betriebskosten für die
dann entstehenden unbebauten Flächen an, wie z. B. öffentliche Lasten, Straßenreinigungsgebühren
und gegebenenfalls Grünflächenpflege sowie sonstige Verkehrssicherungspflichten. Es wird aus
heutiger Sicht geschätzt, daß diese jährlich bei ca. 5.000,00 € liegen.
Frage 4
Welche Vorteile verspricht sich die Geschäftsführung der WHG aus dem Abriß der Wohngebäude in der Potsdamer Allee 45 – 59?
Sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden, die leerstehenden Wohnungen zu vermieten?
(Dies insbesondere unter dem Aspekt des aktuell zunehmenden Bedarfs an Unterkünften für Flüchtlinge).
Antwort:
Von den insgesamt 928 Wohnungen der WHG im Brandenburgischen Viertel (einschließlich Osterweiterung) stehen
insgesamt 161 leer; dies entspricht einer Leerstandsquote von 17 %. Diese liegt somit über der Leerstandsquote
der WHG von insgesamt 13,29 % (Stand per 31.12.2014).
Eine Zukunftsfähigkeit dieser beiden Objekte ist angesichts der Situation auf dem Eberswalder Immobilienmarkt -
der ein reiner Mietermarkt ist - sowie der demographischen Entwicklung und vor dem Hintergrund des bautechnischen
Zustandes nur sehr eingeschränkt zu sehen. Eine Vermietung war nicht möglich; deshalb die Entscheidung zum Rückbau,
Aktuell wird gemeinsam mit dem Landkreis Barnim und der Stadt Eberswalde die Möglichkeit einer temporären Nutzung
als Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber geprüft. Hierzu hat der Bürgermeister im nichtöffentlichen Teil der
letzten Sitzung der StVV ausführlich informiert; hierauf wird Bezug genommen.
Frage 5
Warum werden die zum Abriß vorgesehenen Wohnblöcke nicht verkauft?
Wie hoch müßte aus Sicht der WHG das Mindestgebot für einen Verkauf (pro durchschnittlicher Wohneinheit) sein?
Antwort:
Nach Einschätzung der Geschäftsführung besteht für derart problematische Objekte kein Markt. Ein Verkauf würde
auch nicht der durch die demographische Entwicklung geforderten Anpassung des Wohnungsmarktes durch Verringerung
des Angebots Rechnung tragen; vielmehr wäre dies ein Beitrag zur Stabilisierung oder gar Erhöhung des Leerstandes
und der damit verbundenen Kosten.
Für den Fall eines (für unwahrscheinlich gehaltenen) Verkaufs müßten zumindest die Restbuchwerte für die beiden
Objekte sowie der anteilige Buchwert des Grundstücks realisiert werden; weiterhin müßte die per 31.12.2014
vorgenommene außerordentliche Teilwertabschreibung aufgeholt werden. Der Erlös müßte somit mindestens und
insgesamt bei ca. TEUR 682 für beide Objekte liegen. Ein solcher Verkaufspreis ist nach Einschätzung der
Geschäftsführung für Objekte in diesem Zustand völlig unrealistisch. Da es sich bei den beiden Objekten
nicht um aufgeteiltes Wohneigentum nach WEG handelt, erscheint eine Umrechnung auf einen fiktiven Verkaufspreis
pro Wohneinheit wenig sinnvoll.
Sehr geehrter Herr Markmann,
ich hoffe, Ihre Anfrage ausführlich und erschöpfend beantwortet zu haben. Die WHG ist sich ihrer sozialen
Verantwortung bewußt. Diese Verantwortung kann jedoch nur realisiert werden, wenn die wirtschaftlichen
Parameter dies auch ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Adam
Geschäftsführer
(veröffentlicht am 25. Oktober 2015)
Siehe auch:
Der Abriß ist vom Tisch,
Fragen zum Abriß,
»Informationen« statt Konfliktlösung,
Warum verweigert der Bürgermeister die Diskussion?,
Städtebaulicher Unsinn.
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