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Herbst im Kiez

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Vor und nach der Sanierung in der Spreewaldstraße.

BRAND.VIER im Brandenburgischen Viertel:
Lob und Kritik

maxe. Unter dem Begriff BRAND.VIER – eine an den Namen der vom Genossenschaftsvorstand Volker Klich gern gelesenen Monatszeitschrift »brand eins« angelehnte Abkürzung für das Brandenburgischen Viertel – saniert und modernisiert die Eberswalder Wohnungsgenossenschaft seit 2020 einen beträchtlichen Teil ihrer Wohngebäude im Kiez, nachdem bis vor kurzem der Wohnungsabriß im Vordergrund stand. Unter dem Titel »1893-Geflüster« bejubelt die Geschäftsführung der Genossenschaft regelmäßig den Baufortschritt ihres »Mega-Projekts«.

Dank umfangreicher Wohnbauförderung in Form von zinsbegünstigten Darlehen konnte und kann die Genossenschaft insgesamt 57 Millionen Euro in die »Wohngebäudesanierung einschließlich Aufzugsanbau und Mietergemeinschaftsraum« investieren, bei einem Eigenmittelanteil von nur 5 Millionen Euro.

Die Sanierung des Wohnblocks in der Havellandstraße hatte die Genossenschaft noch ohne Wohnbauförderung realisiert. Inzwischen sind die BRAND.VIER-Aktionsräume »Cottbus« und »Oderbruch« zum großen Teil fertiggestellt.

Viele der sanierten und modernisierten Wohnungen sind inzwischen bezogen. Von den Wohnungsnutzern, seien es neue Genossenschaftsmitglieder oder alte Bewohner, die zwischenzeitlich in Ersatzwohnungen untergebracht waren und nun zurückgezogen sind, hört man viel positive Resonanz. Daß im erwähnten Genossenschafts-»Geflüster« fast ausschließlich im Boulevardblattstil gehaltene Panegyriken zu lesen sind, beruht also durchaus auf den Erfahrungen der Bewohner.

MAXE hat sich umgehört und kann das bestätigen. Als »sehr vorteilhaft« bewertete beispielsweise ein Genossenschaftsmitglied die im »Aktionsraum Cottbus« nach außen verlagerten Fahrradunterstände. Dies werte die Wohnblocks vom Schwedter Typ auf. Allerdings verschaffe die Zusammenlegung der Hauseingänge den Wohnungsnutzern keinen größeren Keller. Der winzige Kellerverschlag war schon zu DDR-Zeiten ein häufig geäußerter Kritikpunkt.

Die vorherigen Fahrrad- und Kinderwagenräume fielen im wesentlichen den nunmehr großzügig gestalteten Hausfluren im Erdgeschoß zum Opfer. Aus den Gewerberäumen und behindertengerechten Wohnungen im Erdgeschoß entstanden Gemeinschaftsräume, die verschiedene Nutzungsmöglichkeiten bereithalten.

Diese »Zwangskollektivierung nach chinesischem Vorbild« sehen nicht alle neuen Bewohner positiv. Dabei spielt wohl weniger die »Zwangskollektivierung« an sich, sondern vielmehr die Befürchtung eine Rolle, daß die Betriebskosten für diese Räume gemeinschaftlich – darin sehen manche den Sinn der Wortwahl »Gemeinschaftsraum« – auf die im Haus Wohnenden umgelegt werden.

Ein gleich von mehreren Betroffenen geäußerter Kritikpunkt bezieht sich auf die unzureichende Mitsprachemöglichkeiten über Umfang und Form dieser verbesserten »Wohnqualitäten«. Der Vorstand sei an »keiner Diskussion interessiert« gewesen, äußerte beispielsweise ein Genossenschaftsmitglied aus dem »Aktionsraum Oderbruch«. Er sagte gegenüber dem Kiezmagazin: »Nicht die kleinsten Details hat man den Mietern zu den Planungen mitgeteilt. Es gab nur Presse-Propaganda. Konsens einholen hätte ja bedeutet, eventuell Planungen zu ändern. Demokratie vorleben? Hier Fehlanzeige!«

Eine derart radikale Kritik mag eine Einzelmeinung sein. Gleichwohl müssen die Wohnungsnutzer zumindest einen Teil der Modernisierungskosten per Modernisierungsumlage tragen. Hierbei dürfte die gesetzlich zulässige Höchstgrenze von 2 Euro je Quadratmeter bei allen Altnutzern ausgeschöpft werden. Die Mehrkosten gehen dann zu Lasten der Genossenschaft, die das natürlich irgendwie refinanzieren muß. Globale Anhebungen der Mieten bzw. Nutzungsgebühren im Bestand sind somit zu erwarten, was im besagten Mitgliedermagazin kein Thema ist. Für neue Nutzungsverträge gilt die Obergrenze ohnehin nicht.

Der »Aktionsraum Oderbruch« besteht aus Wohnhäusern des sogenannten Hallenser Typs. Hier hatten die DDR-Architekten die Bewohner mit Wasch-und Trockenräumen im Kellerbereich sowie Trockenplätzen an freier Luft bedacht. »Das gibt es jetzt nicht mehr!«, kritisiert ein Betroffener und fragt: »Was nun? Wäschetrockner anschaffen? Trocknen in der Wohnung! Du sollt Lüften, Heizen, dem Schimmel entgegenwirken, neue Kostenfaktoren, diktatorisches Wohnen halt«.

Gleich von mehreren Wohnungsnutzern in der Oderbruchstraße gab es ärgerliche Kommentare zu den neu eingebauten Küchenfenstern mit waagerechtem Querrahmen, wobei man den unteren Teil nicht einmal öffnen könne. Auch die kleinteilige Segmentierung der anderen Fenster stößt eher auf wenig Zuspruch. Zu der braunen Fassadengestaltung an den Aufzügen und Laubengängen waren gleich mehrere eher abfällige Bemerkungen zu hören.

In einer Wortmeldung wurde kritisiert, daß »sämtliche Grünanlagen zerstört, die meisten vorhandenen Bäume herausgerissen (wurden) sowie sämtliche Sträucher, damit das Schlachtfeld komplett frei ist für Bauschutt jeder Art«. Daß im Umfeld der sanierten Häuser diverser Bauschutt dann einfach mit neuem Boden aufgeschüttet wurde, auf dem schließlich Rasen angesät wurde, hatten mehrere der Befragten mit einigem Stirnrunzeln registriert.

Kritische Äußerungen gab es zudem wegen falsch angebauter Heizkörper oder gar fehlender Waschmaschinenanschlüsse. Derartiger Pfusch am Bau kann bei einem so großen Bauprojekt sicherlich nie gänzlich vermieden werden. Lästig für die Betroffenen ist das aber allemal.

Solch ein Großprojekt bedeutet zweifellos für alle Beteiligten eine riesige Herausforderung. Das in den Werbeschriften der Genossenschaft gern und viel verwendete Wort »stolz« ist keinesfalls unberechtigt. Es haben aber auch die betroffenen Genossenschaftsmitglieder, die im Falle der Weiternutzung ihrer Wohnung zwei Umzüge aushalten mußten, Respekt verdient.

»Das Vor- und Nachbereiten eines Umzugs«, so einer der von zwei Umzügen Betroffenen, »nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Lebenszeit, die mit viel Entbehrungen einher geht. Eine pauschale Abfindungssumme für die Ummeldeprozeduren ersetzt nicht die aufgewendete Zeit.« Hinzu kommen, vor allem, wenn sich der Grundriß ihrer Wohnung änderte, »auch recht große Summen« weil beispielsweise passende Möbel und anderer Hausrat neu angeschafft werden mußten, weil das Vorhandene nicht mehr paßte. Manche würden sich über ein schlichtes Dankeswort des Genossenschaftsvorstandes für die durchgemachten Beschwernisse sehr freuen.

Weil großer Nachholebedarf hinsichtlich der Elektrik und der Wasser- und Heizungsstränge bestand, zeigen die meisten Doppelumzieher ohnehin großes Verständnis, denn gerade diese notwendigen Sanierungen machen »das Leben anschließend sicherer und verläßlicher«. Ob und wie sie nun »energetische und akustische Verbesserungen erleben«, können die Bewohner der sanierten Wohnungen sicherlich erst nach einiger Zeit bewerten.

Die Wohnungen im letzten Block des »Aktionsraums Oderbruch«, der konkret die Prenzlauer Straße als Adresse hat, sollen zu Beginn des kommenden Jahres fertig und dann nach und nach bezogen werden.

Im Juni 2024 soll dann im letzten Aktionsraum »Barnim« mit der Sanierung der beiden Wohnhäuser in der Barnimer Straße begonnen werden. Zumindest das Haus Barnimer Straße 2 bis 8 soll wie gewohnt komplett leer gezogen werden. Ein Teil der Genossenschaftsmitglieder wird sicherlich in der Prenzlauer Straße im Oderbruch-Quartier unterkommen und so vielleicht auf einen zweiten Umzug verzichten können.

Nach der ursprünglichen Planung waren für die beiden Wohnblocks im »Aktionsraum Barnim« mit zusammen 79 Wohneinheiten Investitionen in Höhe von etwa 9,3 Millionen Euro vorgesehen. Aufgrund der enorm gestiegenen Baupreise wird das bewilligte und eingeplante Geld dafür nicht ausreichen. Eigenkapitalreserven für die Mehrkosten stehen der Genossenschaft nur sehr begrenzt zur Verfügung. Die Modernisierung wird sich daher vermutlich auf das Haus in der Barnimer Straße 2 bis 8, dessen Balkonseite auf die Oderbruchstraße zeigt, konzentrieren. In der Barnimer Straße 1 bis 7 dürften sich die Arbeiten auf notwendige Sanierungen (Elektro/Heizung/Sanitär) beschränken, wobei zugleich die gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Wärmedämmung etc. zu erfüllen sind. Kein einfaches Unterfangen.

(6. Dezember 2023)




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