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Donnerstag, 25. April, 19 Uhr: SHARED READING mit Carsten Sommerfeldt. Stammgäste dieses besonderen Lesekreises haben sicher schon Entzugserscheinungen. Alte wie neue Gäste sind herzlich willkommen! Mehr zum Ansatz von SHARED READING hier.


Frühlingsboten. Oder Rückeroberung der Beton- und Steinlandschaften.

Livestream der aktuellen Stadtverordnetenversammlung.


Dieses Bild wird man in Zukunft öfter sehen, in wechselnden Kombinationen.

Die Debatte um die »Ehe für alle«:
Wo bleibt das Hirn?

maxe. Was die Menschen in ihrer Freizeit machen, ob es nun der Kollege ist oder der Nachbar, das geht niemanden etwas an. Es ist durchaus von Vorteil, hier klare Grenzen zu setzen. Ob jemand bisher in einer eingetragenen Partnerschaft lebte, oder ohne amtliche Beglaubigung - wen hat's interessiert? Und nun solcher Rummel um die Ehe für alle!

»Das ist gegen die Natur!« wettern die einen, die anderen bestehen darauf, daß »die Ehe fürs Kindermachen da sei« und andere bezweifeln die Eignung von Schwulen und Lesben, gute Eltern zu sein. Jedenfalls hatte die verheiratete Kanzlerin (ohne Kinder) einen schwachen Moment in einem Interview: die Aussage, eine Abstimmung über das Thema sei eine Gewissensentscheidung, nutzte prompt die SPD samt Opposition für einen Gesetzes-Aufstand, der Dank der rot-rot-grünen Mehrheit im Bundestag auch Erfolg hatte.

Die einen jubeln nun, die anderen wollen dagegen in Karlsruhe klagen. Wogegen soll eigentlich geklagt werden? Dagegen, daß sich zwei Menschen bewußt füreinander entscheiden, daß sie Verantwortung füreinander übernehmen, und eben nicht jede Nacht die Abwechslung suchen? Martin Schulz landete kürzlich einen großen Lacher mit dem Satz, er werde die "Ehe mit allen" zur Grundbedingung für eine Koalition machen. Der Genosse hatte offenbar sehr gut die Klassiker studiert, daß ihm dieser Freudsche Versprecher entwich.

Hatte doch Friedrich Engels in seinem Werk »Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates« anthropologische Studien von Wissenschaftlern untersucht, die die Mann-Frau-Beziehungen bei den "Wilden" studiert hatten, und daraus geschlossen, daß bei der ursprünglichen "kommunistischen" Stammesgemeinschaft jede Frau jedem Mann gehörte, und jeder Mann jeder Frau. Diese Überlegung leitete er zwar nur theoretisch her, ohne Beweise vorbringen zu können, doch reichte diese Idealisierung der »freien Liebe« aus, um bis weit ins folgende Jahrhundert auszustrahlen.

Rainer Langhans von der berühmt-berüchtigten Kommune 1, einer Wohngemeinschaft in Westberlin, wo Ende der sechziger Jahre die freie Liebe praktiziert wurde, berichtete vor einiger Zeit in einem Interview offenmütig, daß es eine extreme Situation gewesen sei, die nicht selten in die Störung der geistigen Gesundheit führte. Soviel zu freier Liebe.

Nun werden manche einwenden, daß die Schwulen nun Kinder adoptieren werden, oder noch schlimmer (die Lesben haben das ja nicht nötig), daß sie sich Leihmütter besorgen werden, die ihren Samen empfangen und das Kind austragen können. Doch das ist in Deutschland nicht erlaubt. Und auch, wenn es in manchen Ländern möglich ist, kostet es einen Haufen Geld. Das können sich nur Reiche leisten.

So wie ein vor einigen Jahren verstorbener Pop-König, der die Welt heilen wollte, und doch selbst lieber Umgang mit kleinen Jungs hatte, als daß er sich an eine echte Frau heranwagte. Doch sein Arterhaltungstrieb ging so weit, daß er die Dienste einer australischen Leihmutter in Anspruch nahm, die ihm zwei reizende Kinder gebar, die heute voller Stolz von ihrem Vater sprechen. Leider wurde der öffentliche und ökonomische Druck auf den Künstler zu groß, daß er nur noch mit seiner "Beruhigungs-Milch" existieren konnte. Ein Arzt hatte Mitleid mit ihm.

Im Goldenen Sarg wurde Jacksons Leichnam, zwar ohne Gehirn, aber dafür mit großem Gefolge und dutzenden kreisenden Hubschraubern auf den Prominenten-Friedhof von Los Angeles gefahren. Doch, wo waren wir stehengeblieben? Ob gleichgeschlechtliche Partner ebenso gute Eltern sein können wie heterosexuelle. Warum sollte man daran zweifeln?

Wäre es stattdessen für ein Kind besser, in einem Elternhaus aufzuwachsen, in dem der Alkohol regiert und ständig Streit und Gewalt an der Tagesordnung ist? Wo wird ein Kind eher krank? Darüber, ob ein Kind in eine Pflegefamilie kommt oder zu Adoptiveltern, entscheidet das zuständige Amt. Und diese Beamten werden sorgfältig prüfen, welche Anwärter dafür in Frage kommen und ob sie geeignet und fähig sind, einem Kind eine Heimat zu bieten. Wir sind da beileibe nicht auf dem Gemüsemarkt, wie sich das manche vorstellen mögen.

Wie Schwule und Lesben miteinander die Zeit verbringen, das geht niemanden etwas an. Es soll sogar Ehepaare (Mann und Frau) geben, bei denen ist es noch nie zum Beischlaf gekommen. Die Historie bietet dafür genügend Beispiele. Und auch bei vielen in die Jahre gekommenen Paaren mit Kindern, ist die Zeit der aktiven Betätigung noch kaum in der Erinnerung vorhanden. Es gibt wichtigere Dinge als Sex. Zum Beispiel Liebe.

Doch wenn »Menschen vom anderen Ufer« in Personalbögen ankreuzen müssen, ob sie verheiratet oder verpartnert sind, gelangt hier das Private in einen öffentlichen Bereich, wo es nichts zu suchen hat. An solchem staatlichen oder betrieblichen Offenbarungseid sind die Betroffenen zuallerletzt interessiert. Sie möchten gerne selber entscheiden, ob und wem sie Einblick in ihre Privatsphäre gewähren wollen. Alles andere ist Diskriminierung. Und damit macht jetzt die »Ehe für alle« Schluß. Das Votum des Bundestages ist deswegen auch ein Votum des Verstandes und kein Aufruf zur »freien Liebe«!

Jürgen Gramzow - 3. Juli 2017




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