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Frühlingsboten. Oder Rückeroberung der Beton- und Steinlandschaften.

Livestream der aktuellen Stadtverordnetenversammlung.


Die Puhdys im Familiengarten

Am 8. August 2015 gastierten DIE PUHDYS in Eberswalde. Es ist ihre Abschiedstour. In Eberswalde fanden die DDR-Altrocker ein dankbares Publikum. Ihren Jubel konnte man bis ins Brandenburgische Viertel hören. Auch, wie die Fans die alten Hits mitsangen.

Der nachfolgende Text wurde vor 16 Jahren geschrieben. Das Foto ist auch von damals. Außer, daß aus den 30 Jahren inzwischen 46 Jahre geworden sind, ist nichts wesentliches hinzuzufügen:

Rocker-Rentner in Finowfurt

Mit einer »großen Deutschlandtour« begehen die Puhdys derzeit ihr 30jähriges Bühnenjubiläum. Am 24. September gastierten sie in Finowfurt auf dem zum »Open Air Feld« erklärten freien Platz zwischen den Einkaufsparadiesen Real und Roller. Der Zulauf war erheblich. 1.600 gespannte Zuhörer nutzten die Gelegenheit, die Rockerrentner in Aktion zu erleben.

Da standen sie nun nebeneinander. Die begeisterte Erstklässlerin, der erst ganz am Ende des Konzerts in den Armen ihres Papas die Augen zufielen und die im Puhdys-Rhythmus ausflippende Mittvierzigerin, mit deren Körperverrenkungen heutzutage bestenfalls Hardcore-Punks mithalten können. Wenn die Puhdys ihr »Lied für Generationen« zelebrieren, tun sie das im wahrsten Sinne des Wortes.

Insgesamt 16 Langspielplatten, darunter drei Doppelalben, veröffentlichten die Puhdys allein zu DDR-Zeiten. Das schaffte keine andere Band. Hinzu kamen zwei Soloalben von Dieter »Maschine« Birr und Dieter »Quaster« Hertrampf. In den 80er Jahren wurde die Gruppe darüber hinaus zum Exportschlager. Die Puhdys repräsentierten im Westen neben Karat den DDR-Rock schlechthin. Zumindest quantitativ stimmte das auch innerhalb der Republik.

Die Puhdys reichten in ihrer musikalischen Substanz keineswegs an die Spitzen des DDR-Rock heran. Da bleibt die 1975 verbotene Klaus-Renft-Combo einzigartig. Dennoch entwickelten die Puhdys einen ganz eigenen und unverwechselbaren Stil. Zu einem ersten Gipfelpunkt ihrer künstlerischen Entwicklung wurde zweifellos die 1980 veröffentlichte LP »Heiß wie Schnee«. Zum inzwischen ausgeprägten Puhdysstil kam hier eine bis dahin nicht gekannte inhaltliche Geschlossenheit, der sogar die Covergestaltung Rechnung trug. »Melanie«, ein Titel dieser LP, wurde nicht ohne Grund zu einem Höhepunkt des Finowfurter Konzerts. Ähnlich inhaltlich gelungene Alben, noch mit stilistischen Erweiterungen verbunden, veröffentlichten die Puhdys mit »Computerkarriere« (1982) und »Das Buch« (1984).

Danach waren kaum noch neue Töne zu hören. Selbst die Experimente mit Orchesterarrangements auf der letzten regulären DDR-Studio-LP »Neue Helden« (1988) waren nur ein Rückgriff auf die Anfangsjahre. Daß die Puhdys zu ihrem 20jährigen Bühnenjubiläum 1989 ihren Abschied von Live-Auftritten verkündeten, hat sicherlich auch damit zu tun, daß die Band inhaltlich nichts neues mehr bieten konnte.

Die Wende entwertete jedoch auch die Lorbeeren, auf denen sich die Puhdys in ihrer »Rockerrente« ausruhen wollten. Zugleich entstand eine neue Herausforderung. Die Puhdys sahen sich in ihre Anfangszeit zurückversetzt. Sie mußten wieder um ihre Anerkennung kämpfen. »Man müßte viel öfter aufhören können, weil der Anfang immer spannend ist«, schrieb Dieter Birr auf das Cover ihrer ersten Nachwende-LP »Wie ein Engel« (1992). Dieser Neuanfang machte die Puhdys auch für die Texter Gerulf Pannach und Werner Karma interessant. Durch deren Mitarbeit entstand eine inhaltlich interessante Platte. Die anspruchsvollen Texte zwangen zudem zu einer teilweisen Rücknahme der gewohnten Puhdys-Stilistik.

In den Folgejahren gewannen die Puhdys in den neuen Bundesländern schnell ihre alte Popularität zurück. Sie bezahlten das mit einer teilweise hemmungslosen Kommerzialisierung. Die Auftritte in Werbespots sind in der heutigen Radiolandschaft für ostdeutsche Bands möglicherweise eine der wenigen Möglichkeiten, überhaupt gehört zu werden, zwingen jedoch auch zu inhaltlich und stilistisch kaum zu übertreffenden Plattheiten.

Ähnliche künstlerische Flachheit gelang den Puhdys in ihrem Werbesong für den Ostberliner Eishockey-Club »Eisbären«. Zum Mitgrölen geeignet, fand der Eisbären-Song unter dem Finowfurter Publikum viele Fans. Vor allem bei jenen, die den guten Umsatz der Bierstände beförderten.

Die Puhdys passen sich an. Und feiern dadurch ihre Erfolge. Während der 1. Eberswalder Rocknacht im Jahre 1984 meinte Peter »Cäsar« Gläser* auf die Frage, was er von den Puhdys halte, nur mit einem zur Faust geballten Gesicht: »Staatsband«. Die Wahlkampfauftritte für Manfred Stolpe und seine SPD scheinen diese Einschätzung unter veränderten Vorzeichen zu bestätigen.

Die Puhdys feiern ihr 30jähriges Bühnenjubiläum. In Finowfurt begeisterten sie vor allem mit den Erfolgstiteln der ersten 15 Jahre ihr Publikum. Damit und mit immer wieder neuen Mit­singetiteln werden sie zweifellos auch in Zukunft Erfolge feiern.

Gerd Markmann – 25. September 1999

(Erstveröffentlichung in »Barnimer Bürgerpost« Nr. 10/1999)

* 1984 Cäsar´s Rockband, zuvor Renft und Karussell, später Cäsar & Die Spieler. Peter »Cäsar« Gläser starb 59jährig am 23.10.2008.

(veröffentlicht am 9. August 2015)




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