Der Himmel über uns
Lange haben wir auf den Frühling gewartet. Es war zwar kein kalter Winter, doch so richtig schön angenehm warm,
wie es manchmal im März sein kann, ist es nicht geworden. Stattdessen pfeifende Winde von Januar bis Ostern,
mit tief hängenden schwarzen Wolkenteppichen. Es war zum Fürchten!
Doch jetzt kündigt sich der Frühling an. Und der Frühling beginnt im Himmel. Endlich ziehen wieder weiße
Kumuluswolken über den tiefblauen Himmel. Wolken, die ihren Namen wirklich verdienen. Klar ausgeformte
Gebilde, die in der Ferne nach verschneiten Berggipfeln ausschauen. Ein Siebentausender über dem Oderbruch ...
Der Himmel im Frühling hat etwas Göttliches. Ebenso im Herbst. Das ist die Zeit einer bestimmten
Wetterlage, die an manchen Tagen vorherrscht: der Aktiven Kaltluft. Im schnellen Wechsel kommen
Sonne und Wolken, Regen und Wind; und trotzdem wird die Wäsche auf dem Balkon trocken. Oder heftige
Graupelschauer! "Doch die Sonne duldet kein Weißes ..." sagte schon unser Dichterfürst.
Im Himmel, da soll das Paradies sein. Jesus sitzt zur Rechten des Allmächtigen auf einer Wolke
und zählt die Stunden und Tage, bis er wieder auf Erden erscheint: zum Jüngsten Gericht! Und ...
wohnten die antiken Götter nicht schon im Himmel? Zeus, der seine Blitze schleudert, und
Aphrodite, die Göttin der Liebe? Zumindest wohnten sie auf dem Olymp und das war für damalige
Zeiten so gut wie der Himmel.
Vom Himmel kamen die Meteoriten und Kometen, die das Leben mit organischem Material auf die
Erde brachten. Am Nachthimmel sieht man zehntausende Sterne glänzen, und die Planetengötter
ziehen ihre Bahnen. Tierkreiszeichen bestimmen unser Schicksal. Für manchen liegt also der
Ursprung von allem im göttlichen Kosmos, für manch anderen waren es freilich Außerirdische.
Aber die Geschichten von Außerirdischen sind zu "faszinierend", wie der jüngst verstorbene
Mr. Spock immer betonte.
Apropos "faszinierend": Ist Ihnen schon aufgefallen, daß alle Wolken am Himmel eine Nummer
tragen? Das ist kein Witz! Zumindest bei den schönen Wolken, also denen der aktiven Kaltluft,
kann man beobachten, daß Gott im Himmel seine Wolken numeriert. So, als wollte er sicherstellen,
daß ihm keine bei dem heftigen Wind verlorengeht. Der Herrscher im Himmel findet sie soo schön,
er muss immer wieder nachzählen, ob sie alle noch da sind!
Bei Schäfchenwolken macht er das nicht. Schäfchen sind brav und bleiben hübsch zusammen. Sollen
andere Schäfchen zählen, z.B. die Menschen, wenn sie einschlafen wollen. Einige Menschen haben
aber eine direkte Beziehung zum durchnumerierten Himmel: nämlich, wenn sie verliebt sind.
Man schwebt dann mit rosaroter Brille auf Wolke sieben, oder acht. Es sind aber noch genügend
andere Wolken da! Wenn mich jemand ertappt, beim Tagträumen oder bei Wortfindungsstörungen,
dann sage ich: "Sorry, ich war gerade auf Wolke siebzehn."
Jürgen Gramzow – veröffentlicht am 21. April 2015
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