Kiezmagazin für das Brandenburgische Viertel
in Eberswalde
Kontakt zur ...

Archive: gedruckte Ausgaben

Online-Artikelarchiv

Notiert

Donnerstag, 25. April, 19 Uhr: SHARED READING mit Carsten Sommerfeldt. Stammgäste dieses besonderen Lesekreises haben sicher schon Entzugserscheinungen. Alte wie neue Gäste sind herzlich willkommen! Mehr zum Ansatz von SHARED READING hier.


Frühlingsboten. Oder Rückeroberung der Beton- und Steinlandschaften.

Livestream der aktuellen Stadtverordnetenversammlung.


Der 9. November in der deutschen Geschichte

1918 siegte an diesem Tag die Revolution in Berlin. Fünf Jahre später putschte Hitler in München. 1938 war das Datum dann offensichtlich bewußt gewählt für das deutschlandweit in Gang gesetzte Pogrom an den jüdischen Mitbürgern. Der sogenannte »Mauerfall« vor 30 Jahren war aktuell mal wieder das Mainstreamthema. Nähme man den 9. November 1799 (»18. Brumaire« NAPOLEON BONAPARTES) und den 9. November 1848 (Erschießung ROBERT BLUMS in Wien) hinzu, so lasse sich der 9. November als ein Symboldatum für den Kampf zwischen Fortschritt, Gleichheit und Frieden einerseits und Reaktion, Kapitalismus und Unterdrückung andererseits charakterisieren, meint der Berliner Historiker HOLGER CZITRICH- STAHL. Nach diesem setzte Napoleons Staatsstreich faktisch den Schlußpunkt der Großen Französischen Revolution, während im Jahr nach der Erschießung Blums in ganz Europa die Niederlage der Europäischen Revolution von 1848/49 Realität wurde. Gegen die uneingelösten Forderungen der Novemberrevolution von 1918 wie Sozialisierung, Entmilitarisierung, soziale Gerechtigkeit, ein demokratisches Arbeitsrecht sowie Wirtschaftsdemokratie und die sie tragenden Bewegungen zielten die Angriffe der deutschen Faschisten vom November 1923. Das Novemberpogrom 1939 war dann schon ein Schritt in den nächsten Weltkrieg.
     Diese Ambivalenz haftet auch dem 9. November 1989 an. Nach der Grenzöffnung schlug das Aufbegehren gegen Verkrustung und Bevormundung, das eine autochthone demokratische Entwicklung in der DDR in Gang gesetzt hatte, um. Aus dem revolutionären Ruf »Wir sind DAS Volk« wurde das nationalisti- sche, um nicht zu sagen völkische »Wir sind EIN Volk«. Die Revolution in der DDR verkam zum Anschluß an die BRD samt flächendeckender Wiedereinführung des Kapitalismus in Deutschland und Europa oder tatsächlich zur Konterrevolution, die manche schon im Aufbegehren gegen den damaligen Real-Sozialismus sehen.
     Schon allein die Folgen dieser Umwälzungen zeigen, so Czitrich-Stahl, daß es hier um die Fortsetzung der fundamentalen Auseinandersetzung seit der Französischen Revolution und Napoleons Code Civil und ihren Gegnern geht, damals Royalisten, heute Nationalisten. Leider wird jede Diskussion darüber, inwieweit tatsächlich von einer »Wiedereinführung« des Kapitalismus die Rede sein kann – also zur Frage, ob der »Realsozialismus« der DDR und anderswo vielleicht doch bloß eine andere Spielart der kapitalistischen Produktionsweise oder irgendeine Stufe des Übergangs repräsentierte – dadurch erschwert, daß nun auch das 30jährige Jubiläum des »Mauerfalls« bloß Anlaß ist, weiter mit der DDR abzurechnen. Das hat vor allem zur Folge, daß wirkliche inhaltliche Kritik am »Realsozialismus« der DDR, die dazu dienen kann, aus der Geschichte zu lernen, stark behindert wird.
     Insofern ist das permanente »Mauerfall«-Jubilieren, dem auch in Eberswalde gefolgt wird, eine erfolgreiche Strategie, um ein Nachdenken über Alternativen zum Kapitalismus zu behindern. Die Beschwerden mancher darüber, daß viel Frust- und Protestpotential von braunen Rattenfängern aufgesammelt wird, erscheint von daher als eher scheinheilig. Die Förderung von Nationalismus paßt vielmehr ganz gut ins herrschende Konzept, also ins Konzept der Herrschenden. Diese differenzieren sich freilich selbst in verschiedene einander befehdende Fraktionen, sind also keineswegs über einen Kamm zu scheren oder zusammen mit diversen kleinbürgerlichen Schichten als »eine reaktionäre Masse« zu charakterisieren, wie das einst FERDINAND LASSALLE tat. Insofern mahnt das Symboldatum vor allem eines an – Vergangenheit und Gegenwart gründlich zu analysieren, um Wege in eine menschliche Zukunft zu erkennen.




Die zwölf neuesten Artikel im Direktzugriff:

03.04.2024 - Stellenanzeige Laboranten (m/w/d) LWU Lebensmittel-, Wasser- und Umwelthygiene GmbH zum Artikel ...
31.03.2024 - Galerie Fenster im April zum Artikel ...
30.03.2024 - Galerie-Rückblick zum Artikel ...
23.03.2024 - »Ostermärchen«? zum Artikel ...
23.03.2024 - Fassadengrün zum Artikel ...
20.03.2024 - Frühjahrsputz im Kiez zum Artikel ...
16.03.2024 - Boxen und Turnen zum Artikel ...
14.03.2024 - Helle Stunde 2024 zum Artikel ...
14.03.2024 - »Wir verändern das System« zum Artikel ...
09.03.2024 - Brutale Abschiebeversuche in Eberswalde zum Artikel ...
07.03.2024 - Die doppelte Kiez-Promenade zum Artikel ...
21.02.2024 - Wachsen bedeutet Veränderung zum Artikel ...


Archiv der MAXE-Druckausgaben

Alle Druckausgaben von MAXE, dem Kiezmagazin für das Brandenburgische Viertel, die 2012 bis 2014 im Kiez verteilt wurden, sind im Archiv als PDF abrufbar.

Hier geht's zum Archiv: MAXE gedruckt


Eberswalde © 2015-2020 AG MAXE
Impressum

Besucher
(seit 16.1.24):
Besucherzähler